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  • Von Prof. Olaf Rank / Elisabeth Göhring

    Prof. Rank vom Lehrstuhl für Organisation und Personal an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg visualisiert und analysiert informelle Netzwerke und kann damit Unternehmen helfen, ihre Neuorganisation erfolgreich umzusetzen.

    Die Messung informeller Netzwerke erfolgt in der Regel durch Online-Befragungen, die den Beziehungen zwischen Mitarbeitern oder Teams wie beispielsweise Informationsflüssen nachspüren. Die befragten Personen geben an, von wem sie Informationen erhalten und an wen sie Informationen weitergeben. Es lässt sich so entdecken, welche Beziehungen einseitig oder gegenseitig sind. Vor allem ist aber interessant, inwiefern diese Netzwerke mit den geplanten Strukturen übereinstimmen.

     

    Oftmals wird bei der Neuorganisation von Strukturen zu wenig darauf geachtet, dass alte Gewohnheiten nicht einfach abgelegt werden. Das bremst den Erfolg von Neuorganisationen.

    Beispiel: ein neu etabliertes Mittleres Management wird in der Praxis übergangen. Alte Beziehungen bleiben erhalten. Das wiederum hat zur Folge, dass der entlastende Effekt für das Obere Management ausbleibt und das Mittlere Management frustriert wird.
    Die tatsächlichen Kooperationsstrukturen wurden visualisiert, das Problem wurde erkannt und konnte konsequent angegangen werden.

    Das Forscherteam um Professor Rank sucht nach Mustern in den Beziehungsgeflechten, die dann als Kultur bezeichnet werden können. Aber nicht alle Netzwerke lassen sich gut visualisieren.

    Dass es einen Zusammenhang zwischen der Kultur einer organisatorischen Einheit und Performance geben kann, wies Professor Rank bei Untersuchungen von Vertriebsteams nach. Die Ausgangssituation war, dass es in mehreren Unternehmen erfolgreichere und weniger erfolgreiche Teams gab, deren formale Strukturen und Rahmenbedingungen allerdings identisch waren.
    Eine Netzwerkanalyse ergab, dass der einzige Unterschied in den Kommunikationsgewohnheiten bestand. Die Mitarbeiter der erfolgreichen Teams teilten ihre Informationen freigiebig mit ihren Kollegen, so dass sie allen zur Verfügung standen. Die weniger erfolgreichen Teams gaben Informationen lediglich im direkten Tausch weiter.
    Die Performance stieg, nachdem die Beteiligten sich angewöhnten, ihre Informationen nicht mehr als Privatwährung zu betrachten, sondern als das, was sie und das Team voranbringen wird.


     

    Prof. Dr. Olaf Rank ist Inhaber des Lehrstuhls für Organisation und Personal an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Breisgau). Seine Arbeitsgebiete umfassen die Themen intra- und interorganisationale Netzwerke, Change Management und Reorganisation, Personal- und Organisationsentwicklung sowie strategisches HR-Management.

    www.organisation.uni-freiburg.de

     

    von Elisabeth Göhring

    Die Notwendigkeit, wie eine Schwerkraft

     

    Thomas Paine, „Common Sense – An die Einwohner Amerikas“, 1776

     

    Paines zunächst anonym veröffentlichtes Pamphlet, das die Unabhängigkeit Amerikas von England als Einsicht des klaren Menschenverstandes forderte, vergleicht die Notwendigkeit mit der Schwerkraft. Jeder wird die Notwendigkeit spüren können, denn die Notwendigkeit ist zwingend für alle gleich.

    Etwas, das allen einsehbar ist, wird passieren, sobald es alle gesehen haben. Sie brauchen bloß hinzugucken und den gesunden Menschenverstand  einzusetzen. So dreht sich das Rad der Geschichte?

    Zwei Türen: die eine ist vernagelt, die andere sieht benutzt aus. Welche der beiden würden Sie wählen?

    Zwei Menschen: der eine hat Augenzucken, der andere zwinkert Ihnen zu. Welchem von beiden würden Sie trauen?

    Zwei Systeme: das eine bedeutet hohe Steuern, das andere bietet Freiheit. Welches wird sich durchsetzten?

    Sind diese Fragen wirklich so einfach zu beantworten?
    Der fehlende Kontext macht es unmöglich, ganz einfach mit „die unvernagelte Tür“, „der Zwinkerer“ und „das System der Freiheit“ zu antworten. Wir riechen förmlich die Falle. Und voilá, das ist gesunder Menschenverstand! Nicht die Intelligenz gebietet uns aufmerksam zu sein, sondern die Intuition. Denn natürlich ist eine offene Tür einer vernagelten vorzuziehen, Zwinkerer und Zucker sind nicht zu unterscheiden und Freiheit und Steuern haben so viel miteinander zu tun wie die sprichwörtlichen Äpfel mit Birnen.

    Viele unserer Entscheidungen basieren nicht auf Intellektualität und umfassenden Analysen sondern auf dem, was man als „gesunden Menschenverstand“ bezeichnet. Der Ethnologe Clifford Geertz beschreibt ihn mit folgenden Adjektiven:

    natürlich, praktisch, dünn, unmethodisch und zugänglich.

    Interessant aus unternehmenskultureller Sicht ist dabei vor allem, dass der gesunde Menschenverstand in jeder Kultur, auch den Unternehmens-, Branchen- und Fachkulturen, zu unterschiedlichen Schlüssen gelangen kann. Die Menschen, die den Common Sense anwenden, sind aber felsenfest davon überzeugt, dass das, was sie denken, aus unmittelbarer und allgemeingültiger Erfahrung entspringt und jeder mit klarem Verstand auf denselben Schluss kommt. Die Notwendigkeit, wie die Schwerkraft.

    Der Common Sense oder das, was Husserl die „Lebenswelt“ nennt, besteht also aus unbegründeten Erfahrungen. Gewisse Volksstämme sind überzeugt, dass hinter solchen Erfahrungen Magie als Gesetzmäßigkeit steht. In unserer Kultur ist man dagegen der Meinung, dass das, was nicht wissenschaftlich erklärbar sein wird, auf Gott oder andere esoterische Erscheinungen zurückzuführen ist.
    Sich
    widersprechende Forschungsergebnisse werden gerne mit „Das sieht man doch“, „Das merkt man doch!“ oder „Ich kenne jemanden, der sagt /weiß /erlebt hat“ entscheidend bewertet. – Die pseudo-intellektuelle Entsprechung zum moralischen „das gehört sich so!“.

    Gerade in einer zusammenwachsenden Welt muss man sich über den dünnen realen Boden und die tiefen irrationalen, kulturell bedingten Wurzeln seiner eigenen Annahmen bewusst werden.

    Dazu kann man sich der Dekonstruktion im Sinne des Philosophen Jaques Derridas bedienen: Begriffspaare und begriffliche Verkettungen werden gelöst, um das, um was es Eigentlich geht, von sprachlich-kulturellen Verklebungen zu befreien.

    Zum Beispiel Personaler, die „gute Leute“ „rein nach Qualifikation“ aussuchen und „rund um die Fachkompetenz“ „professionell entscheiden“, dürfen nachdenklich werden.

    Denn: Was ist ein Zeugnis? Was für begriffliche Verklebungen verbergen sich hinter diesem Begriff, nach dem Menschen in „gut“, „talentiert“ und „kompetent“ einsortiert werden?
    Der gesunde Menschenverstand kommt dann mit folgenden Argumenten zum Tragen und verhindert jedwedes dekonstruierendes Umdenken: „nach irgendwelchen Kriterien muss man doch Vorentscheidungen treffen“, „jedes Zeugnis trifft vielleicht nicht genau, aber so ungefähr kann man schon sehen, wer sich dahinter verbirgt“,„die Trefferquote ist durch diese Filter empirisch gesehen recht hoch“.

    In Zukunft müssen diese Zeugnisfilter immer mehr Bewerbungen vorentscheiden. Weil man nicht bekommt, was man haben will, stöhnt man über den War of Talents und macht einfach weiter wie bisher – nur in größerem Stil.

    Gibt es wirklich keine besseren Ideen?

    Das Problem der Business-Logik ist, dass sie Menschen und Systeme bewusst vereinfacht betrachtet, um in großen Maßstäben agieren zu können. Es wird ein eigener, fachspezifischer Common Sense gebildet, der sich in einfachsten Fünfbiszehnpunkteplänen manifestiert und in Wirklichkeit Ausdruck einer Hilflosigkeit gegenüber der realen Komplexität und Mehrdimensionalität ist.

    Dekonstruktion von Begrifflichkeiten, um die sich X-Punktepläne oder Modelle ranken, oder die in solche verwebt sind, können zu vorläufiger Verunsicherung aber auch zu neuen konstruktiven Ansätzen führen.

    Wann immer Totschlag-Argumente wie „Das hört sich alles ganz schön an, aber da geht es um Fakten!“ ins Feld geführt werden, sollte die dekonstruktive Notbremse gezogen werden.

    Was sind Fakten (richtig/Zahl/ männlich rational), und was wird da als Nicht-Fakt (nicht nachweisbar/Frauensache/esoterisch/nicht geschäftsrelevant) vom Tisch gewischt?

    Es geht dabei um einen Bruch in der westlichen Entwicklungs-Philosophie, die da heißt: „weiter, immer weiter, immer besser..“ Es geht um Revolution an der Stelle von der inkrementellen Evolution, deren erster Schritt des totalen Neudenkens das „Zurücktreten“ ist.

    Sich darauf einzulassen bedeutet, Neuland zu betreten.

     

     

     

    Was braucht Mensch für Change?

    von Elisabeth Göhring

     

    Aristoteles war der Meinung, dass die mitfühlende Teilnahme der Zuschauer am Schicksal eines Tragödien-Protagonisten eine tiefe, reinigende Wirkung auf den Menschen habe. In der Anteilnahme, im emotionalen Nachempfinden lag seiner Meinung nach eine große Kraft.
    Auf der Tragödie-Bühne wirkt Schicksal oder göttlicher Wille auf den Helden. Der Protagonist kann nicht mehr so weiter machen wie bisher. Er muss sich beziehungsweise seine Handlungs- oder Sichtweise ändern, denn das Schicksal zwingt ihn unerbittlich wie der Tod, und seine Zuschauer lernen an seinem Beispiel.
    Die aristotelische Katharsis verursacht demnach durch Mitleid mit dem Schicksal eines Theater-Helden eine Änderung der Perspektive und Handlungsweise des Publikums.
    Auch jeder Change-Prozess erfordert Veränderungen von Perspektiven und Verhaltensweisen. Durch Einsicht erzeugende Kommunikation und geschickt veränderte Prozesse kann man viel bewegen. Dagegen wirkt allerdings die Macht der Bequemlichkeit und Gewohnheit bei denen, die Change nicht veranlassen, sondern den Wandel leben  müssen.

    Es wird immer Menschen geben, die sich mit den alten Werten oder Systemen ganz wohl gefühlt haben und sogar trotz eindringlicher und geschickter Change-Kommunikation überzeugt sind, dass das Alte nicht schlecht war und die Änderungen gar nicht so sinnvoll, zumindest nicht von persönlichem Vorteil sind.
    Um diese Change-Bremser, die Verlierer der Veränderung, auch mitzunehmen, muss bei diesen eine Katharsis erzeugt werden. Sie müssen ihre Perspektive und Handlungsweise tatsächlich und nachhaltig ändern.

    In vielen Unternehmen lebt man die griechische Tragödie: man bestimmt einen Helden, der für die alten Werte und Überzeugungen steht und den Change-Zielen hartnäckig Widerstand leistet. Und dann gesteht man ihm entweder die öffentliche Läuterung zu, oder er muss dramatisch von der Bühne abtreten. Das Change-faule Publikum leidet erschauernd mit und wird folglich eine erhöhte Bereitschaft zur Kooperation zeigen.

    Das wäre Change nach aristotelischem Katharsis-Konzept: die Mitarbeiter sind das zu belehrende Publikum, das sich den Sachzwängen anzupassen hat.

    Dem entgegen steht das goetheanische. Bei Goethe im klassischen Drama wird eine tiefgreifende Veränderung durch die Harmonisierung von Gefühl und Pflicht bewirkt. Das bedeutet, dass der Mensch, also der einzelne Mitarbeiter, eine eigene Position zur (schicksalhaften) Veränderung finden muss. Jeder auf seine Weise.

    Das bedeutet auch, dass den Menschen zugestanden wird, dass sie individuelle Positionen und Geschwindigkeiten haben, ihre Sichtweise anzupassen.
    Auf der Change-Bühne werden nun vielfältige Diskussionen geführt, die Sozialen Medien laufen heiß, Coachs werden losgeschickt, und der eine oder andere Prozess, so gut er auch zu den neuen Zielen passte, wird nochmals justiert. – Die goetheanischen Helden können zurück rudern ohne Schwäche zu zeigen und den Kurs
    zu verlieren. Dem eisernen Band der Sachzwänge wird der freie Wille des Menschen entgegengesetzt. Das Ziel einer goetheanischen Katharsis ist es, beide Kräfte ins harmonische Gleichgewicht zu bekommen.

    Voraussetzung für so eine Katharsis ist, dass Menschen nicht wie Spielfiguren eingesetzt wurden. Und dass das Management nie der Versuchung erlag, sie ganz und gar zu branden und für die eigenen Ziele zu begeistern.
    Statt dessen betrachte man Mitarbeiter als mündige Wesen.

    In der Psychologie wird der Katharsis-Begriff als Reinigung von Gefühlen verwendet. Dabei wird kontrovers diskutiert, ob ein stellvertretend ausgelebtes Gefühl tatsächlich von eben diesem befreit.
    Kann man beispielsweise Aggressionen durch Schlagen auf einen Sandsack los werden?
    Leider gibt es darauf keine definitiv abgesegnete Antwort. Schön wär´s, denn dann könnte jeder Change-Manger einfach Gefühls-Mülleimer aufstellen, in die jeder Mitarbeiter seine Ängste und seinen Ärger abladen kann.

    Was bedeutet Katharsis für Manager, die eine geänderte Handlungsweise von Menschen in ihrem Unternehmens brauchen?
    Sie können Menschen nicht ändern, wohl aber Verhaltensänderungen erzwingen.
    Wenn man Mitarbeitern das wegnimmt, mit dem sie sich bisher identifiziert haben oder durch das sie ihr Selbstwertgefühl erzeugten, wird das wie ein Schicksalsschlag empfunden. Widerstand und negative Gefühle entstehen. Mit diesen Menschen können sie nicht mehr rechnen.
    Gefühle wie Angst oder Ärger können nicht einfach entsorgt werden. – Ein auf die Menschen angepasstes harmonisches Konzept braucht Zeit und Raum für die Einzelnen.

     

    von Elisabeth Göhring

    Ist der Schwarm ein angemessenes Synonym für kollektives Verhalten in Unternehmen? In jedem Fall ist der Erfolg von Schwärmen ein Beispiel für die Sinnhaftigkeit einfachster  Regeln und viel Freiraum. – Aber wo bleibt das Individuum?
    Im Spiegel 22/2012 fand ich einen aufregenden Artikel über die Arbeit zweier Wissenschaftler, die belegen konnten, dass es Politik und funktionierende INKLUSIVE, also den Großteil der Bevölkerung integrierende Institutionen sind, die eine Nation nachhaltig erfolgreich machen. Mit anderen Worten: Wir im reichen Norden haben unsere Erfolgsstory  selbst geschrieben, weil unsere Eliten in der Lage waren (oder hinreichend gezwungen wurden), Privilegien abzugeben. Das hört man doch gerne.

    Beide Autoren sind nicht irgendwelche Wissenschaftler. Nein, sie arbeiten am MIT und in Harvard. Da weiß man, was man hat.
    Ich war nicht die einzige, die den Wert der Botschaft des Buches erkannte.
    „Warum Nationen Scheitern“ von D. Acemoglu und J. A. Robinson ist ein Bestseller.
    Das Buch wurde mit großer Detailkenntnis und großer Unschärfe aus nordamerikanischer Sicht verfasst. Es nimmt keine extreme Position ein, behauptet nichts Spektakuläres und ist extrem erfolgreich.
    Das Geheimnis: elitäre Wissenschaftler belegen, was MAN glauben will. - Hätten sie etwas Unbequemeres bewiesen, wäre ihr Buch wahrscheinlich kaum gelesen worden.
    Hier wirkt die „Diktatur der Selbstverständlichkeit“ wie Heidegger die Macht der Gewohnheit in seinem Klassiker „Sein und Zeit“ nennt. Ich befinde mich als  nord-westliche Leserin in der Rolle der Jeder-MAN und bediene mich selbst mit „Sinnkontinuität“, finde Bestätigung in meinen Wertesystemen und entlaste damit meine Sinn- Orientierung. Ich lese, was ich hören will.

    Das ist bequem. Das verbindet mich mit anderen. Das macht mich also auch mächtig, denn ich gehöre einer starken Gemeinschaft an.
    Experimente wie das zur „Unaufmerksamkeitsblindheit“ bestätigen: Was man nicht erwartet, hat es schwer gesehen zu werden.
    Umgekehrt: was wir erwarten, sehen wir. – Und da ist es wieder: das WIR, das sich auf ein JEDERMAN bezieht und eigentlich nur einen größeren Anteil der Menschen in unserem Umfeld meint.

    Ich bin ein Gutmensch. Deshalb lese ich begeistert von Experimenten, die belegen, dass bessere Arbeitsbedingungen sich auf die Produktivität auswirkten und von solchen, die belegen, dass der Mensch schon als Kleinkind in Unterscheidung zum Affen ein soziales Wesen ist, das sich um das Wohlergehen seines Gegenübers sorgt.

    Jedes dieser berühmten Experimente wird auch kritisiert: Ungenauigkeiten im Versuchsaufbau oder in den Rückschlüssen.
    Aber woran soll man sich denn halten, wenn unser wunderbares System der wissenschaftlichen Belegung jedermänlichen Denkens nicht mehr funktioniert?
    Und vor allem: sie funktionieren ja im Großen und Ganzen doch. Jedes Experiment, das kritisiert wird, wird nicht als Ganzes in Frage gestellt. Es geht meist um Details.

    Die mühsame Suche nach individueller Orientierung wird dann zur Plage, wenn Details den Blick auf das Ganze
    verstellen. Der allzu kritische Blick lässt Zusammengehörigkeiten zerfallen. Jede Gemeinschaft benötigt aber Toleranz, Abstand der Individuen voneinander und gemeinsame Regeln, die grob genug sind, dass sie a) jeder einhalten kann und es b) es nicht so schlimm ist, wenn sie von einer Minderheit nicht eingehalten werden.

    Wer eine Corporate Culture steuern will, das heißt sie nicht einfach wachsen lässt oder Änderungen herbeiführen muss, um erfolgreicher zu werden, darf nie vergessen, dass er selbst ein Subjekt ist, das es mit Individuen zu tun hat: erwachsenen, selbstbestimmten Menschen, deren Wohl und Wehe zu mehr als 1/3 jeden Tages in der Gemeinschaft liegen und deren Rahmenbedingungen die Firmen schaffen. Es ist egal, wie groß die Firma ist. Entscheidend ist der Respekt, den die Menschen innerhalb der Arbeitsumgebung und vor allem die Führungsriege für die einzelnen Individuen verspüren. Dieser Respekt betrifft vor allem die individuellen Abweichungen vom MAN.
    Die meisten individuellen Abweichungen werden von der Mehrheit – dem Schwarm – aufgefangen. Sie sind im Großen und Ganzen irrelevant. Aber es kann auch dazu kommen, dass sich daraus Richtungsänderungen der Gesamtheit ergeben.
    Begegnet man den Abweichungen mit Respekt, ist man vielleicht in der Lage zu bemerken, dass es sich um keine bösartigen und völlig idiotischen Abweichungen handelt. Jedes  Verhalten hat seinen Grund.
    Beobachtet man diese Abweichungen und lernt daraus, Hindernisse zu erkennen und auf sie zu reagieren, kann das zu einem Vorteil für alle sein.

    Die Kultur einer Firma zum Beispiel kann man vergleichen mit dem
    parasympathischen Nervensystem. Die Kultur bestimmt alle unbewussten
    (nicht explizit definierten Prozesse) und reflexartigen Handlungen (z. B. definierte Prozesse).
    Es gibt sehr hochentwickelte, große Organismen und sehr kleine; aber bei allen gibt es diese Form der „parasympathischen“ Entscheidung.

    Jedes System IST nicht einfach, sondern erneuert sich ständig. Es ist stets im Werden begriffen, ob es will oder nicht; denn es besteht seinerseits aus lebendigen Organismen. In unserem Fall einem Schwarm an individuell kulturell geprägten Geistern, deren Schnittmenge das MAN des Systems ausmachen.

    In jedem Schwarm schwimmen in der Mitte vorne irgendwo die Meinungsmacher, die Richtungsgeber, vor ihnen noch die Vordenker, die bereit sind für das durch Feuer und Wasser zu gehen, von dem sie überzeugt sind. Hinter dem Meinungsmacher befinden sich die, die gerne im Schatten bleiben, dahinter die Bremser, links die, die von der allgemeinen  Meinung eben links abweichen, und rechts die, die eben rechts Platz gefunden haben.
    Aber im stetigen Metabolismus der Zeit wechseln sie die Positionen. Einige werden von Vorreitern zu Bremsern und einige werden von Mitschwimmern zu Meinungsmachern, wenn  sich der Schwerpunkt des Schwarms ändert.

    von Elisabeth Göhring mit Illustrationen von Silvie Ringer

    Lévi-Strauss betrachtet zwei unterschiedliche Geisteshaltungen:
    die des Bastlers und die des Ingenieurs.

    Der Bastler hat Freude daran, Probleme, die sich ihm stellen, mit gegebenen Mitteln zu lösen. Der Ingenieur dagegen geht systematisch vor und kann dadurch nachhaltig über die unmittelbar gegebenen Möglichkeiten hinaus Lösungen produzieren.
    Die archaische Geisteshaltung des Bastlers und die zeitgenössisch anmutende des Ingenieurs existieren nebeneinander.

    Will der Bastler über einen Fluss kommen, sucht er nach langen Stecken und baut ein provisorisches Floß, das zumindest eine Zeit lang funktionieren wird. Der Ingenieur dagegen bekommt den Auftrag für den Brückenbau, erkundet unterschiedlichen Brückenbau-Techniken, passt eine geeignete Technik an die örtlichen Gegebenheiten an und gibt dann  seine Pläne an die Bauleitung, die sie umsetzt. Es entsteht eine Brücke, die lange halten wird, für die Gerüste gebaut und Materialien herbei transportiert wurden, die aber irgendwo in der Natur Narben hinterlassen.

    Die Ingenieure prägen eine Gesellschaft, die Großes hervor bringt. Hier werden Fakten geschaffen, die Geschichte schreiben. Hier entsteht Hochkultur.
    Die Gemeinschaften der Bastler sind dagegen eher durch Mythen und Rituale geprägt.

    Obwohl wir unsere moderne Industriegesellschaft natürlich in die Ingenieurskultur einordnen, kennt jeder den Bastler-Typ wahrscheinlich aus seiner Nachbarschaft oder erkennt sich sogar selbst darin: wie stolz man doch ist, wenn man ein Rohr mit einer einfachen Weißblechdose geflickt hat, anstatt dem Handwerker schon wieder Gelegenheit für eine saftige  Rechnung zu geben! Auch in unserer durch Ingenieure dominierten Kultur hegen wir (pseudo-)religiöse Mythen und geben uns Ritualen hin.
    Ich jedenfalls. Und mein Nachbar auch. – Meine Firma hat ein Logo, in dem eine ganze Menge mehr drin steckt als nur Form und Farbe, und es ist ganz normal, dass Marketing-Abteilungen Mythen über die (emotionale) Wirkung irgendeines Produktes verbreiten, von der man annehmen kann, dass es eben diese ohne die Mythen darüber ganz bestimmt  nicht gegeben hätte. Archaische Zauberei instrumentalisiert und dirigiert durch die Ingenieure für die Bastler?

    Man kann jedenfalls behaupten, dass die Ingenieursgeisteshaltung der von Produzenten und die Geisteshaltung der Bastler der von Verbrauchern entspricht.

    Lèvi-Strauss vergleicht die Ingenieur-Gesellschaften mit Dampfmaschinen. Die der Bastler, die eher auf Erhalt und Gleichgewicht aus sind, werden mit Uhren verglichen, die so lange laufen, bis sie zerschlissen sind oder angehalten werden.
    Dampfmaschinen entstehen aus der kommerziellen Verwertung menschlicher Geistesleistungen und produzieren Kultur, um der „Entropie“, die sie durch ihre Arbeit erzeugen,  entgegen zu wirken. Laut Lévi-Strauss ist für ihren Betrieb eine hierarchische Ordnung vonnöten: ein Sozialgefälle.

    Die Existenz der Bastler-Uhren-Gesellschaften wurde durch die Globalisierung ruiniert.
    Ein unberührter Lebensraum ist eben keiner mehr, wenn eine Dampfmaschinen-Trasse darüber gelegt wird – dann ist er nur noch ein Lebensraum. Außerdem gibt es innerhalb  jeden Gesellschaftstyps beide Typen der Geisteshaltungen. Die Ingenieur-Typen innerhalb einer Bastler-Gesellschaft werden der Dampfmaschine folgen. Die Bastler-Gesellschaften brauchen aber ihre Ingenieure.

    Auch die Ingenieure brauchen ihre Bastler. Sie bauen sie ein, sie benutzen sie. So wie eine Dampfmaschine eben alles instrumentalisiert und verheizt, was nicht anderweitig genutzt werden kann.




    Seit Lévi-Strauss über die beiden Gesellschaftstypen schrieb und sprach ist fast ein halbes Jahrhundert vergangen. Jeder Mensch, der in unsere Dampfmaschinen-Gesellschaft mit ihrem Fortschrittszwang der Economy of Skale eingebunden ist, trägt beide Geisteshaltungen in sich und ist sowohl Verbraucher als auch Produzent.

    Mittlerweile ist jedem klar, dass es nicht einfach immer so weiter gehen kann. Der Drahtseilakt, trotz Dominanz der alles verzehrenden Dampfmaschinen die Uhr des Lebens weiterlaufen zu lassen, hat begonnen. Technik wird eingesetzt, um Natur zu erhalten. Ein bisschen jedenfalls.

    Jeder muss selbst wissen, wo er steht und entscheiden, wo er hin will. Kein Unternehmen darf sich mit Verweis auf mangelnde Regulierungen aus der allgemeinen und kein  Mitarbeiter mit Verweis auf mangelhafte Corporate Responsilbility aus der individuellen Verantwortung ziehen.


    *** Die Künstlerin und Illustratorin Sylvie Ringer:
    “Die Illustration mit den Blättern basiert auf dem ersten Kapitel von ” Das wilde Denken “, ein Abschnitt der beschreibt, wie Amazonasvölker in der Lage sind präzise Unterschiede zwischen Pflanzen zu erkennen, innerhalb einer Art; Unterscheidungen, die wir aufgrund von unserer Entwicklung / Geschichte nicht mehr in der Lage sind zu begreifen. Wir  begreifen nur einen oberflächlichen Teil, weil weiteres Wissen in dem Bereich unserem System nicht dient, wir es daher nicht gebraucht und vergessen haben…..
    Ich mag die Idee von Levi, das das Wissen und die Denkweise des Bastlers gleichberechtigt sein kann, obwohl es in unserem System abgewertet wird….”


    Lèvi-Strauss, „Das wilde Denken“, 1968 (1962)
    Lèvi-Strauss, „Primitive und Zivilisierte“, nach Gesprächen aufgezeichnet von Georges Charbonnier, 1972/1965
    Lèvi-Strauss, „Traurige Tropen“, 1978 (1955)
    Wunderbares kleines Buch: Michael Kauppert, „Claude Lévi-Strauss“, UVK 2008

    Wahlverwandt

    Die Entwicklung der Rockerclubs ist eine organisationale Erfolgsgeschichte.

    Der Organisationssoziologe Christian J. Schmid von der Technischen Universität Dortmund beforschte die Szene.

    Zur Organisationskultur von Rockerclubs

    von Christian Schmid

    Lockere Gemeinschaften

    Das Leben in unserer Gegenwartsgesellschaft ist typischerweise hochgradig individualisiert und optionalisiert. Viele Menschen schließen sich deshalb unterschiedlich intensiv Interessens- oder Gesinnungsgemeinschaften an.

    Arne Niederbacher und Ronald Hitzler beobachten, charakterisieren und beschreiben Szenen.

    Das Phänomen „Szene“ bietet einen Einblick in die Thematik.

    Zitat

    Albert Einstein

    In order to be a perfect member of a flock of sheep, one has to be foremost, a sheep.

    Hochenergie-Genies

    „I have created two Maxi DSTs for conversion studies. The data were filtered from W slowstream output asking for standard electron cuts (eRIC + track-preshower match). There are a total 655 events on cassettes VW 0536 VW0537.“

    Sprache ist kulturprägend. - Und das da oben soll Englisch sein???

    Ein Beitrag über die Kultur der Hochenergiepysiker am CERN, beforscht durch D. Nothnagel.

    SESAME

    Synchrotron-light for Experimental Science and Applications in the Middle East ist ein Forschungszentrum, das nach Vorbild des CERN im Mittleren Osten etabliert wird.
    Es soll sowohl Forschungen durch Bereitstellung von teuren Versuchseinrichtungen im Bereich der Physik, Chemie, Biologie, Archäologie und anderen Fachbereichen ermöglichen, als auch friedensstiftend in der Region wirken.
    Man lasse sich die Namen der Mitgliedsstaaten in einer Reihe auf der Zunge zergehen:
    Bahrain, Zypern, Ägypten, Iran, Israel, Jordanien, Pakistan, Palestinensische Autonomiebehörde und Türkei.

    http://www.sesame.org.jo/sesame/

    Surreales im scheinbar reinen Rationalem

    "Im Ergebnis verweist die soziolinguistisch, z.T. statistisch orientierte Untersuchung darauf, dass im gegebenen Ausschnitt, der britische, deutsche, französische, italienische und US-amerikanische Sprecher/innen umfasst, geschlechtsgebundene Unterschiede keineswegs kleiner als die kulturellen sind."

    Kultivierte Unschärfe[n]

    von Detlev Nothnagel

    Leitgedanken

     

    Unternehmenskulturen sind nicht „gut“ oder „schlecht“. Aber sie können, ähnlich wie der Charakter bei Menschen, einem sympathisch oder abstoßend erscheinen. Das bleibt der individuellen Bewertung überlassen. - Man kann aber messen und bewerten, ob eine Kultur ihren speziellen Aufgaben gewachsen ist. Das Unternehmenskultur-Magazin.de stellt eine Vielfalt an Organisationscharakteren und Tools zur Messung und Anpassung von Organisationskulturen vor, ohne dabei den Blick für Menschliches zu verlieren.
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