Digital Analytics 2014 #dad14

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Auf Facebook bin ich weiblich und 45 Jahre. Demnächst werde ich das umstellen, denn ich will keine Diät, kein Antifaltenwunder und keinen neuen Mann!
Ich fühle mich genervt durch die „individualisierte“ Werbung, die vor allem eines nicht zu berücksichtigen scheint: mich als Individuum.

Auf dem Digital Analytics Day 2014, der am 4. April in Hamburg stattfand, wurde mir mehr Business Intelligence geboten. – Das lässt hoffen.

Statt großzügiger Versprechen einer Zukunft, in der sich alles und jedes vorhersagen lässt und personalisierte Werbung den Streuverlust minimieren wird, gab es im schönen Hotel Hamburg eine Vielfalt interessanter Vorträge zu Theorie, Praxis und Ausbildung.

Der Pionier und Veteran der Digital Analytics Association (DAA) Jim Sterne illustrierte eloquent, um was es bei Digital-Analyse geht:

Mehr Geld zu machen, weniger auszugeben und mehr zu verdienen.
Oder anders ausgedrückt: aus einem industriell angelegten Sonnenblumenfeld einen Van Gogh zu zaubern.

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Interessantes Profil?

Zahlen sind eben nicht gleich Zahlen. Nur wer die richtige Frage stellt, wird aus seinem Material ein gewinnbringendes Szenario generieren können. Und nur wer die richtige Story daraus entwickelt und vermittelt, wird aus dem Szenario ein Business case machen können. Dazu brauche man Wissen, Fähigkeit und das gewisse Etwas an Intuition, betonte Jim Sterne.

Zu Beginn der Digital-Analystic-Bewegung, aus der 2002 die DAA als treibende internationale Kraft hervorging, interessierte man sich für das Nutzerverhalten auf Webseiten. Dieses Interesse griff dann auch auf alle anderen Online-Medien über und erstreckte sich mit dem Aufkommen der Sozialen Medien bald auch auf andere Berührungspunkte mit Kunden und potentiellen Kunden.

Heute sind die Geschäfte mit „Beacons“ ausgestattet, die Mobilfunkgeräte erkennen können. Jede Telefonanlage liefert massenhaft Daten. Mit einem Gerät, das für 35 Euro am Markt frei erhältlich ist, lassen sich über W-LAN Signale orten und zählen.
Mit anderen Worten: der Datensammlung sind kaum Grenzen gesetzt, und das bliebe auch so, wenn die Gesetzgeber keinen Riegel vorschöben. Man arbeitet an einer EU-weiten Richtlinie, die in ca. zwei Jahren zu erwarten sei, berichtete die Juristin Dr. Anna Zeiter im Gespräch mit Aurèlie Pols.

Letztere klassifizierte digitale Daten in Daten, die man fände, wenn man dem Geld folgt und solche, die relevant für die Privatsphäre sind.

Während Daten an sich das neue Öl seien, sei die Privatsphäre so etwas, das man hüten und pflegen müsse wie die Natur, wenn man nach Öl bohrt. Die Datenströme erforderten große Aufmerksamkeit, um durch Sicherheit Vertrauen gewährleisten zu können.

Sie, wie auch viele der anderen Vortragenden forderten deshalb, dass die Datenanalysten Querschnittsfunktionen im Unternehmen einnehmen sollten. Zumindest müssten auch die Rechtsabteilungen und natürlich das Marketing miteinbezogen werden. Es reiche nicht, sie in der IT anzusiedeln.

Die Realität sieht derzeit aber noch anders aus: 95 % der Analyse-Budgets fließen in die Technik der Daten-Analyse. Dabei ist die Technik nur eine von drei Aufgaben, die der Datendetektiv zu lösen hat, um aus dem Rohmaterial der Zahlen sinnvolle Szenarien und Business cases zu entwickeln. Der Fall des neun Tage lang verschwundenen Flugzeugs zeigte deutlich, wie hilflos man trotz der Massen von Daten sein kann.

Frank Pörschmann berichtete auch von einem Beispiel, wo Berater eine neue und definitiv Gewinn bringende Tarifstruktur für eines großen Telekommunikations-Unternehmen auf der Grundlage der Daten erarbeitet hatten, die Pläne aber verworfen wurden, weil sie Änderungen in der Unternehmenskultur bedeutet hätten.
Die Daten liefern dem Management Entscheidungsbasen. Dabei ist zu unterscheiden, ob die Daten lediglich zur Rechtfertigung bereits geplanter oder schon durchgeführter Manöver oder Strategien dienen sollen oder ob mit Hilfe der vorliegenden Zahlen Strategien ausgerichtet werden sollen und Testszenarien überhaupt entstehen dürfen. Auch eine Frage der Unternehmenskultur.

Das kurzfristige inkrementelle Entwickeln schlägt sich mit AB-Tests durch. Aber reicht das Material auch für den großen Wurf? Revolution statt Evolution?

Nur dann werden die Datenanalysten dem Management gut zuspielen können, wenn sie sowohl ihr Handwerk verstehen als auch das Management bereit ist zuzuhören.

Muster erkannt?

Muster erkannt?

Das Handwerk der Datenanalyse sollten noch mehr Fachleute erlernen. Derzeit bieten aber nur drei Unis/Fachhochschulen in Deutschland die Ausbildung zum Datenanalysten an. Die DAA bietet darüber hinaus eine anspruchsvolle Prüfung für Autodidakten an. Da stehen die Chancen durchzufallen allerdings bei 50%. Die Holländischen DAA hat ein anders interessantes Modell: sie zertifiziert die Firmen, in dem sie überprüften, ob die Firmen das, was sie versprechen, auch halten können.
Google bietet einen kostenfreien Web-Lehrgang für jedermann, der natürlich das gerade frisch herausgebrachte, User-fokussierte und Geräte-übergreifende Google-Analysetool „Universal Analytics“ besonders behandelt.
Das gesamte Angebot deckt aber noch lange nicht den Bedarf.

Ich wünsche mir eigentlich gar nicht, dass durch bessere Datenanalysen passendere Werbung eingeblendet wird. Ich finde es eigentlich ganz gut, dass Facebook nicht „weiß“, das ich in Wirklichkeit 28 Jahre alt, sehr schlank und lesbisch bin. – Oder was auch immer ich tatsächlich fühle und zu sein meine.

Aber etwas weniger Verschwendung – das scheint ein realistisches Ziel zu sein.

Danke an die Digital Analytics Group von Hamburg@work für diese Veranstaltung und diese Aussicht!

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Was für Voraussetzungen muss eine Unternehmenskultur bieten, damit die technischen Möglichkeiten der Analysen gewinnbringend eingesetzt werden können? Stellen Sie sich folgende Fragen:

  • Gibt es Raum für Veränderungsvorschläge von Fachleuten? Nur wenn die Analysten auch Vorschläge machen dürfen und gehört werden, können kreative Modelle aus den Zahlen in mehr Erfolg verwandelt werden.
  • Wie groß ist der Rechtfertigungsdruck im Management? Nur wenn die Zahlen nicht ausschließlich zur Rechtfertigung benutzt werden, können Business cases entwickelt werden.
  • Wie viel Raum gibt es für abteilungsübergreifendes Arbeiten? Nur wenn die Abteilungen miteinander und nicht gegeneinander arbeiten, kann die nötige fachliche Breite und Tiefe den Analysten zu praktikablen und dem Ganzen nutzenden Ergebnissen führen.
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