Auch wenn im Einzelhandel die Margen schrumpfen, Internet und große Ketten den Kleinen das Leben schwer machen, ist es doch eine mit vielen Sehnsüchten umwobene Idee, sich einmal mit einem Geschäft selbständig zu machen. Sein eigener Boss sein! Mit dem Geld verdienen, was man kann! Andere mit dem, was man tut, beglücken!
Katja N.*, 37. hat sich erfüllt, wovon viele Menschen einfach nur träumen: Sie hat ihr eigenes Cafe aufgemacht.
Die ausgebildete Erzieherin erzählt, dass zwischen Idee und Realisierung nur ein halbes Jahr lag.
Zunächst einmal gab es da die Gelegenheit: der Laden, in dem ihr Mann bereits seinen ersten Gummiteufel gekauft hatte, machte dicht. Der Inhaber war alt, müde und freundlich. Er erlaubte Katja N. gerne, einen Monat lang hinter dem Tresen zu stehen. – Sie wollte wissen, wie es sich anfühlt, den ganzen Tag dort zu sein. Und sie wollte ihre zukünftigen Kunden kennen lernen.
Während sie Brötchen und Gummiteufel verkaufte, bekam sie ein Bild von dem, was sie hier schaffen wollte. Vor ihrem inneren Auge entstand das Café.
Ihr Mann, ermunterte und unterstütze sie bei dem Vorhaben. Er half auch kompetent bei Planung und Realisation.
Ein Businessplan war schnell erstellt.
Als dann das Kaffee eröffnete, wurde aus dem Traum Realität. Eine sehr harte, aber auch schöne Realität, die durchaus vom Plan abwich.
Sie musste sich an 13 Stunden Arbeit erst einmal gewöhnen. Nach den ersten Monaten ließ sich aber absehen, dass die Kunden ihr den bedingungslosen Einsatz und ihre Flexibilität mit Treue belohnten.
Sie wusste, was wer am liebsten mochte. Ließ jemand erkennen, dass er gerne eine bestimmte Torte hätte, so tat sie ihm den Gefallen gerne und sorgte dafür, dass diese im Angebot war. Ihr Kaffee war offen für Gesellschaften und lieferte Gebäck auch außer Haus. Sie nahm an, was auf sie zukam und bemühte sich, allen gerecht zu werden.
Mitarbeiter rekrutierte sie aus ihrem Umfeld.
Bei dem Umgang mit ihnen half ihr die Erzieherinnen-Ausbildung. „Es ist manchmal schwer, Leuten Grenzen zu setzen. Aber wenn man es freundlich und bestimmt tut, dann ist das im Sinne aller.“ sagt sie. „Allerdings darf man von den Mitarbeitern nicht erwarten, was man von sich selbst verlangt. Die endgültige Verantwortung trägt man selbst.“
Dann wurde sie schwanger.
Der Arbeitseinsatz konnte nicht mehr voll erbracht werden. – Nach der Geburt der Tochter schon gar nicht.
„Ein Café ist ein sehr persönliches Geschäft. Man findet nicht so einfach einen Ersatz für sich selbst. – Abgesehen davon, dass das auch eine Kostenfrage ist.“, sagt sie traurig.
Katja N. stand vor der Wahl: Kind oder eigenes Kaffee. Die Wahl fiel ihr leicht. Der Abschied von ihrem Traum aber nicht. „Es ist auch nur ein vorübergehender”, meint sie.
Claudia K. und Tanja R.* haben es auch gewagt. Von der Gelegenheit, der Entdeckung des Ladenlokals in einem wohlsituierten Vorort, bis hin zur Eröffnung ging es auch Knall auf Fall. Die beiden Kauffrauen verstehen durch ihre 20-jährige Erfahrung als Angestellte eines Textil-Versandhauses womit sie handeln: Kleidung und schöne Kleinigkeiten. Ihre Zielgruppe sind sie selbst. Jeder Kunde wird wie eine Freundin behandelt.
Seit drei Jahren betreiben sie nun den Laden und sind glücklich, sagt Claudia K., die in dem Laden als Entspannungscoach auch Meditationskurse anbietet. Sie lieben es, selbstbestimmt zu arbeiten und schätzen das direkte Feedback.
Lust auf Austausch und ein gewisses Verständnis für Zahlen halten sie für unabdingbar für ihr Geschäft.
Sie wissen um ihr großes Plus und schätzen es: sie sind zu zweit. „Man muss gemeinsam arbeiten und feiern können“, sagt die Extrovertiertere der Beiden.
In der Buchhandlung daneben kämpft eine studierte Bibliothekarin dagegen allein. Wenn man das so sagen kann in Anbetracht der Tatsache, dass jeden Tag eine andere freundliche, kompetente Frau im Laden aushilft. Die Frauen, die hier arbeiten, sagt die Inhaberin Franziska S., haben alles Mögliche gelernt oder studiert, konnten sich aber schnell hier einarbeiten. Gemeinsam ist allen, dass sie Familie haben, gerne in diesem Stadtteil leben und Bücher lieben.
Franziska S. lebt alleine mit ihrem Hund, dem Buchladen-Maskottchen. Für die beiden wirft der Laden auch genug ab.
Über 20 Jahre arbeitete sie erfolgreich im Marketing eines großen Verlages. Eine Zeit, die sie nicht missen will. Dann besann sie sich auf einen Kindertraum vom eigenen Buchladen und suchte nach einem passenden Objekt. Auch ihr Geschäft ist sehr durch ihre Persönlichkeit geprägt. Sie mag den Stadtteil, sie mag die Menschen, die hier leben. Dadurch kann sie ihren Kunden die richtigen Bücher anbieten. Buchempfehlungen werden sehr gerne angenommen. Mittlerweile sind die vier mal jährlich statt findenden Buchvorstellungsabende restlos ausverkauft. Trotzdem warnt sie: „Man darf nicht alles machen, was man könnte!“ und rät, sich die Kräfte gut einzuteilen.
Die größte Herausforderung für den Buchladen ist Amazon. Wie sie damit umgeht, kann man auf der Webseite des Ladens sehen: bei ihr kann man einfach per Mail bestellen und am nächsten Tag abholen. Darüber hinaus bietet sie noch ein reichhaltiges Angebot an Empfehlungen.
Wenn man den Laden betritt, riecht es angenehm nach neuen Büchern. Man wird so freundlich beraten und bedient, dass ich mich frage, warum ich in den zehn Jahren, die der Laden in meiner Nachbarschaft existierte, ihn schlichtweg übersehen habe. Das kann ich jetzt nicht mehr. Ich werde per Mail einkaufen und beim Abholen tief diese ganz besondere Bücherluft einsaugen.
Die vier Frauen haben den Traum vom eigenen Geschäft umgesetzt. Sie wussten, dass sie viel Arbeit und keine Reichtümer erwarteten. Aber alle würden es noch einmal tun.
Claudia K. empfiehlt: „Man muss es einfach tun. Es gibt immer Gründe es dann doch zu lassen. Aber es ist eine großartige Erfahrung!“
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*Alle Namen wurden verändert
Vielen Dank an Olaf Böckmann für die Fotos!