Innovationkulturen in schnelllebigen Welten

Die Fähigkeit zu Innovation erhöht sich durch eine Bewusstseinshaltung, Dinge und Beziehungen immer wieder neu in Bezug auf Umweltanforderungen zu bringen. Wie Unternehmen möglichst viele Innovationen tatsächlich in die Wirklichkeit bringen können, stellen Prof. Nikolaus Dimmel und Work-Life-Balance-Experte Christian Holzer hier vor.

Einfache Fragen, um ein Klima zu schaffen, in dem Innovationen “gedeihen”

Menschen blühen auf, wenn Sie sich nicht ständig fürchten müssen und sie sich unterstützt fühlen. Informationsgespräche bzw. Einzelcoachingeinheiten für Chefs und Mitarbeiter zur Reflexion und zur Mutentfaltung sowie Achtsamkeit der Führung auf Energielevelzustände im Unternehmen fördern das Zutrauen aller Akteure in ihre eigenen Kräfte und deren Wirkungsweisen.

■Was können wir im Unternehmen tun, um den Selbstwert jedes einzelnen Mitarbeiters zu heben? – Hohe Selbstwirksamkeitsgrade (Glaube an sich und sein erfolgreiches Handeln) entstehen.

■Welche Rahmenbedingungen (außer Geld) und welche Gegebenheiten im Unternehmen gefallen Chefs und Mitarbeiter besonders gut? – Eine Welt erschaffen, denen Menschen gerne angehören wollen (nach D. Pinnow)

■Was fördert die Kreativität im Unternehmen? – Hohe Kreativitätsgrade steigern die Innovationskraft.

Alleine mit diesen drei Fragen erhält man:

■einen Katalog an Zielvorgaben für eine aufblühende (Work-Life-Balance) Kultur, die mit Bedacht Begeisterung entstehen lässt.

■Vertrauen der Menschen, dass im Unternehmen gut gewirtschaftet wird und es das Unternehmen gut mit mir als Chef bzw. Mitarbeiter meint.

■Input für ein geändertes Kulturbild im Sinne eines Work-Life-Balance-Betriebs.

■Input für Employer Branding. Wer und wie bin ich als Unternehmen und wie möchte ich mich nach innen und nach außen authentisch präsentieren?

Betriebswirtschaftliche Effekte:

■Erhöhte Innovationsbereitschaft

■Höhere Realisierungsgrade

■Mehr und besser qualifizierte Bewerber im Recruiting

■Mehr Firmenbindung von Chefs und Mitarbeitern

■Aufladen der Arbeitgebermarke, Chance auf mehr Kundenbindung

■Mehr Ertrag

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Kreativ und innovativ

Kreativ und innovativ

Alle Innovation, unerheblich ob Produkt- oder Prozessinnovation, Design- oder Serviceinnovation, ereignen sich sowohl in geplanter („research and development“) wie zufälliger Weise („Entdeckungen“). Keine Erfindung wurde bislang zielgerichtet „erarbeitet“. Die meisten von ihnen sind schlicht „passiert“. Das führt zur Frage, was passiert, wenn Innovation passiert. Die Antwort lautet: jemand war kreativ. Innovation beruht also auf individueller Kreativität. Diese wiederum ist keine genialische subjektive Eigenschaft, sondern Resultat von Sozialisationsprozessen. Man kann zur Kreativität erziehen und ermuntern, ebenso, wie man Mitarbeiter zur inneren Kündigung anleiten kann. Kurz: Kreativität ist Ergebnis eines sozialen bzw. betrieblichen Umfeldes. Sie kann von Führungskräften ermöglicht, gelernt, gemanagt werden. Sie ist Teil des Bewusstseins der Akteure in einem Team. Sie setzt handelnde Personen voraus, die nicht daran interessiert sind, zu erklären, was alles „nicht geht“, sondern daran, auszuprobieren, „was geht“. Insofern ist gelingende Innovation als betriebliches Geschehen Teil der Unternehmenskultur. Folgerichtig sind Kreativität und Innovationsbereitschaft keine Frage einer einzelnen Person, Abteilung oder eines Stabes, sondern eine Frage des betrieblichen Kollektivs. Sie spiegelt ebenso eine Haltung wie einen Denkstil.

fehlerbejahend und unkonventionell

fehlerbejahend und unkonventionell

Gelingende Innovation kann in Analogie zu neurophysiologischen Einsichten menschlicher Kreativität verstanden werden. Kreativität setzt Plastizität voraus, also die Fähigkeit, Dinge und Beziehungen im Austausch mit den Umweltanforderungen zu „komponieren“. Kreativität findet immer in einem System von Individuum, Organisation und Umwelt statt. Kreativität entwickelt sich in einem komplexen Zusammenspiel von Begabung, Wissen, Können, intrinsischer (Arbeits-) Motivation, Persönlichkeitseigenschaften und je unterstützenden oder hemmenden Umgebungsbedingungen. Aus diesen Fähigkeiten resultieren freilich nur dann verwertbare Produkte, wenn Einfälle, Zufälle ebenso wie geplant gesuchte Ergebnisse festgehalten und ausgearbeitet werden können. Der „Witz“ daran besteht allerdings eben nicht darin, die ´Erfindung` zu belohnen und die vergeblichen Versuche davor oder daneben zu ignorieren, etwa nur den Erfinder materiell zu belohnen. Denn als James Watt die Glühbirne erfand, verbraucht er zuvor 1.800 Prototypen, die zwar je für sich genommen nicht funktionierten, insgesamt aber einzelne Schritte hin zu einer funktionierenden Glühbirne darstellten. Innovation ist zuvorderst ein Prozess, und erst sekundär eine Ergebnis.

nicht jederzeit perfekt

nicht jederzeit perfekt

Westliche kapitalistische Kulturen betonen den Aspekt individuell proaktiver Kreativität, östliche den Aspekt einer Eingebung innerhalb eines weiteren sozialen (oder natürlichen) Kontextes. Letztlich sind beide Faktoren betrieblicher Innovation. Beide setzen flexible betriebliche Lernprozesse voraus. Zugleich verkörpert eine wachsende Zahl von Innovationen keine geschlossene Innovation mehr, die aus einem einzelnen Betrieb kommt. Vielmehr müssen Innovationen in einem offenen Prozess gedacht werden, in welchem das Unternehmen Wissen und ´Know How` von anderen Unternehmen bezieht. Die Erfolgsgeschichte der Kunststoff-, Holz und Metall-Cluster erklärt warum dies so ist. Innovation schafft als Prozess ein Milieu. Innovative Standorte sind „sticky places“, zu denen Arbeitskräfte hingezogen werden, wollen sie ihre Ideen und Potential entfalten. Um innovative Potentiale von Mitarbeiter zu erkennen sollte verstanden werden, warum Menschen anthropologisch bedingt kreativ sind: weil sie etwas herstellen wollen. Mit Hannah Arendt unterscheiden wir zwischen dem redundanten´Arbeiten` und dem kreativen ´Herstellen`, in dem sich Menschen selbst vergegenständlichen wollen. Das Milieu des ´Herstellens` lässt sich herstellen. Denn Kreativität, also die zeitnahe Problemlösung durch Kontextsensitivität, Originalität, Flexibilität und Ideenflüssigkeit (Variantenvielfalt) hängt neben den individuellen Möglichkeiten vor allem vom sozialen bzw. organisatorischen Kontext sowie den Bewertungspraktiken der Kreativität innerhalb eines sozialen Gefüges ab. Im Grunde verhält es sich wie im menschlichen GENOM: nichts ist unwichtig. Regelhaft beruhen „kreative Funken“ auf kollektiven Austauschprozessen ebenso auf Neuem wie auf dem, was schon als Artefakt oder Denkprozess vorhanden ist, aber bloß noch nicht Verwendung fand. Das kann man auch neurophysiologisch zeigen: individuelle Kreativität beruht nämlich auf der Fähigkeit, Lücken zwischen noch nicht logisch-sinnvoll oder zweckhaft aufeinander bezogenen Gegebenheiten durch neue Sinnbezüge oder Kombinationen von bereits Bestehendem zu überbrücken. Alle Kreativität, alle Innovation hat daher etwas Spielerisches, welches ohne Freiraum in einem sozialen Kontext nicht denkbar ist. Es ist diese Eigenschaft, ein „homo ludens“ zu sein, die das Spezifische der menschlichen Arbeitsvermögen ausmacht.

ohne Frage: fleißig

ohne Frage: fleißig

Zugleich verweist der notwendigerweise offene Charakter kreativer Prozesse auch auf die Möglichkeit des Scheiterns oder die Möglichkeit, Fehler zu machen. Fehler sind daher nicht nur ein notwendiger Faktor von Lernprozessen sondern vielmehr auch ein notwendiger Faktor von kreativen Modellierungen. Es ist Sache des Managements, die Zahl fehlgeschlagener Versuche zu limitieren, nicht aber, den Fehlschlag negativ zu etikettieren. Ganz im Sinne Karl Poppers ist jeder Fehlschlag eine Falsifikation, also ein Schritt hin zur Gewinnung von Wissen wie auch jede Enttäuschung letztlich eine Befreiung von (Selbst)Täuschungen aber kein soziales Drama verkörpert.

Weil kreative Denkprozesse und Einfälle die sich als Innovationen ausdrücken weitgehend unbewusst ablaufen, werden sie individuell vielfach als Eingebung einer überpersönlichen Intelligenz oder Wesenheit verstanden. Aus der Management-Perspektive jedoch erscheinen sie als Resultat von zwei Rahmenbedingungen: zum ersten der Art und Weise, wie sich Gruppen dynamisch bewegen, entfalten und verändern, zum zweiten der Vorbedingung, ob und wie sich die Arbeitenden im Sinne Csizkszentmihaly´s (1996) in einem Flow befinden. Denn erst im Flow können sie fremd-vergessen und dissoziativ „bei sich“ arbeiten, mithin das getaktete Zeitbewusstsein in den Hintergrund und der Fokus auf die Problemlösung in den Vordergrund tritt. Voraussetzung dafür ist ein organisationelles Umfeld, in dem intrinsische Arbeitsinteressen und das Interesse an einer Selbstwertsteigerung der Arbeitsvermögen ausgelebt werden können. Arbeit muss Sinn stiften und befriedigend erlebt werden, soll sie gut gelingen.

hätte Edison in Ihrem Unternehmen gearbeitet?

hätte Edison in Ihrem Unternehmen gearbeitet?

Freilich muss alle individuelle kreative Sinnproduktion und Kombinatorik betrieblich erst in wissensbezogene, logische Sinnproduktion, in Formen der Aufbau- und Ablauforganisation übersetzt werden. Von daher setzt Innovation spezifische Führungsfähigkeiten und zugleich das Vorverständnis voraus, dass alltägliche Kreativität ebenso wie die Fähigkeit zum Querdenken erlernt und gezielt ermöglicht (Knieß 2006) werden kann. Eine vereinseitigte organisationelle Orientierung auf dem Erwerb vorhandenen Wissens und das „Herumreiten“ auf eingeführten Modellen und Begrifflichkeiten reduzieren das betriebliche Kreativitätspotential. Man muss als Leute im Sinne des Wortes „spinnen“, „quer denken“, „ausprobieren“ und auch erfolgreich scheitern lassen. Das setzt voraus, Scheitern aushalten zu können. Insofern bringt jegliche Innovation nicht nur veränderte Produkte und Abläufe hervor, sondern impliziert auch einen sozialen Wandel in der Organisation ebenso wie einen Habitus der handelnden Personen. Innovation setzt auf allen Funktionsebenen Neugier, Offenheit, Flexibilität und Handlungsspielräume voraus. Eben deshalb ist ihre Ermöglichung eine Kernaufgabe des Managements.

 

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