Mobile-Hype ist was anderes… Eine Pragmatikerin hat das Wort

Schon vor über sechs Jahren hatte Heike Scholz den Weitblick, dass mobile Technologien unser Berufs- und Privatleben verändern werden und begann, ein Weblog über Mobile Marketing zu schreiben. Heute ist mobile zeitgeist das führende Online-Magazin zum Mobile Business im deutschsprachigen Raum, mit mehreren Autoren und Lesern in aller Welt.
Von der Wirtschaftswoche und der Next Berlin im Frühjahr 2012 unter die 100 wichtigsten Vordenker gewählt, die die deutsche Internetwirtschaft bewegen, gehört Heike Scholz zu den Menschen, die nicht nur etwas zu sagen haben sondern auch gehört werden.

Mir gefielen vor allem ihre unerschüterliche Zahlensicherheit und pragmatische Kompetenz, von der ich in einem Seminar profitieren durfte. Überzeugen Sie sich selbst: “Mobile Hype” ist was anderes.

Wie viel Geist ist im mobilen Zeitgeist? Was hat es mit dem Geistigen in der mobilen Welt auf sich?

Heike Scholz: Darauf habe ich eine ganz pragmatische Antwort: Ich habe mich für „mobile Zeitgeist“ entschieden, weil das ein Name ist, der im Deutschen und im Englischen gleichermaßen funktioniert. ZEITGEIST ist tatsächlich ein im englischen Sprachschatz vorhandenes Wort.
Verändern die mobilen Medien die Menschen?

Heike Scholz: Veränderungen oder besser “Entwicklungen” bedingen sich immer gegenseitig. Die Technologien und Lebensweisen entwickeln sich von einander abhängig.
Nutzerverhalten und Nutzerbedürfnisse beeinflussen und werden beeinflusst von den technologischen Möglichkeiten.
Das Nutzerverhalten wirkt sich aber auch regulativ auf die technischen Anwendungen aus. Nicht alles, was technisch möglich ist, wird auch angenommen.
Technische Möglichkeiten lassen Bedürfnisse und Verhalten – letztendlich sogar neue Lebensweisen – entstehen, was den Menschen an sich – wenn überhaupt – nur sehr, sehr langfristig verändern wird.

Was verändert die Mobilität in den Unternehmen?

Heike Scholz: Auch wenn sich die Menschen nicht kurzfristig verändern: die Lebensweisen verändern sich. Und das macht sich natürlich auch in den Unternehmen bemerkbar.
Diese waren bisher sehr zentralistisch organisiert. Die mobilen Möglichkeiten erweitern nun aber die peripheren Vernetzungen.

Neu ist, dass verstärkt darüber nachgedacht wird, nur noch Vernetzung und Strukturen zur Vernetzung zur Verfügung zu stellen und den Mitarbeitern die Arbeit an eigenen Geräten zu ermöglichen. „Bring your own Device“ heißt das Stichwort.
Das ist natürlich kritisch, wenn es um Sicherheitsrelevantes geht, aber ansonsten ein sehr flexibler Ansatz, der den individualisierten Bedürfnissen entgegenkommt.
Durch die mobilen Geräte werden viele Daten und Services ubiquitär, das heißt: immer und überall verfügbar. Prozesse können zum Beispiel direkt beim Kunden in Gang gesetzt oder sogar abgewickelt werden.
Es gibt viel weniger Aufwände durch Datenbrüche und Schnittstellen.

Welche Unternehmen werden klar gewinnen, wenn sie die mobilen Möglichkeiten nutzen?

Heike Scholz: Komplexe Frage, auf die keine einfache Antwort möglich ist!
Aber soviel ist eindeutig: Die Unternehmen müssen die Entwicklung wach beobachten und für sich bewerten. Vor allem solche Unternehmen, die mit Consumern zu tun haben, müssen reagieren.
Wer es nicht tut, wird verlieren.
Der Trend geht eindeutig zu mobilen Medien. Weltweit haben wir bereits eine mobile Facebook-Nutzung von 51%. Das kann man ja nicht ignorieren!

Sinnvoll ist der Einsatz von mobilen Medien natürlich auch für alle Unternehmen, die Außendienstmitarbeiter beschäftigen. Große Datenmengen und Services können ubiquitär abgerufen und geteilt werden.
Auch für Unternehmen, die nicht selbst produzieren, zum Beispiel Wissen oder Informationen teilen oder vermitteln müssen oder Dienstleistungen erbringen wie in der Logistik, sind mobile Techniken von großer Bedeutung. Hier entstanden neuartige Geschäftsmodelle. Die Prozesse haben sich deutlich verändert.

Führen die mobilen Medien zu einer anderen Bewertung von Reisezeit und Wegen, die zurück gelegt werden müssen?

Heike Scholz: Reisezeit war gefühlt immer Arbeitszeit.
Leerlaufzeiten werden natürlich besser nutzbar gemacht. Gleichzeitig steckt in jedem Handy oder Tablett aber auch ein verführerisches Potential. Ich denke da an die ganzen unterhaltsamen Medien-Services. Aber da auch Pausen dringend notwendig sind, kann man diese Angebote konstruktiv zur Entspannung nutzen.

Welche Kosten stecken in der Mobilität (+/-)?

Heike Scholz: Kosten werden grundsätzlich gegen den Nutzen abgewogen. Genauso wie bei jeder anderen Softwareentwicklungen auch. Natürlich gibt es  laufende Kosten und Folgekosten, die bei der Planung, Durchführung und Betrieb berücksichtigt werden müssen.
Immer kürzer werdende Innovationszyklen und die im mobilen Umfeld vorhandene Geräte- und Plattformvielfalt erfordern häufige Anpassungen, die immer wieder Kosten verursachen. Aber der Nutzen mobiler Lösungen wird erkannt und rationale Überlegungen führen dann zu wohlüberlegten Entscheidungen.

Wird Zeit gewonnen oder zerronnen?

Heike Scholz: Weder noch.
Die vielfältigen Möglichkeiten können natürlich auch zu Zeitfressern werden. Wir alle hören vom Suchtpotential, das in den Sozialen Medien oder auch Spielen stecken kann. Durch die mobilen Geräte werden eben diese dauerhaft verfügbar gemacht. Für manche bedeutet das eine Gefahr. Medienerziehung und die Kenntnis der eigenen Stärken, aber auch Schwächen ist entscheidend, um einen vor allem gesunden Umgang mit den neuen Medien zu pflegen.
Jeder Einzelne muss die Kunst lernen, damit gewissenhaft umzugehen.

Lässt sich CD gut in mobile Anwendungen umsetzten?

Heike Scholz: Es wird jetzt viel von responsive Webdesign gesprochen: ein mal zusammen für alle Gräte gestalten – eine wunderbare Vorstellung. Doch leider unterscheiden sich die mobilen Endgeräte schon in ihrer Bedienung so stark, dass man auch hier schnell an Grenzen stößt.
Für das Design, auch z.B. bei Logos gilt: Weniger ist mehr.
Die Überlegungen für eine mobile Webseite wirken sich auch oft positiv entschlackend auf die anderen Kanäle aus. Man überlegt sehr genau, was man wirklich braucht. Da fliegt bei vielen Unternehmen jetzt auch der Ballast auf den stationären Webseiten raus.
Hat ein Unternehmen einmal für mobile Anwendungen oder Webseiten aufgeräumt, wirkt sich diese „Entrümpelung“ auch auf andere Gebiete aus. Alle profitieren von mehr Inhalt, mehr Reduktion auf das Wesentliche und mehr Nutzerfreundlichkeit.

Ich bedanke mich herzlich für das Gespräch und dass wir von den praktischen Einsichten und dem wachen Blick auf die mobilen Entwicklungen profitieren dürfen. Das Interview wurde geführt durch Elisabeth Göhring im Sommer 2012.

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