Der Berufsethos der Polit-Journalisten

In fantastischer Atmosphäre, mit Blick auf den in leichtem Nebel liegenden Hafen, wurde im Business Club Hamburg der Frage nachgegangen, „Wer macht unsere Meinung?“.

Geladen waren an diesem Freitag Abend:

  • Heiner Bremer, Moderator von ‘Das Duell‘ (n-tv), langjähriger Chefredakteur des STERN
  • Dr. Kai Gniffke, 1. Chefredakteur ARD aktuell, verantwortlich für Tagesschau und Tagesthemen
  • Peter Hausmann, ehemaliger Regierungssprecher von Bundeskanzler Helmut Kohl und heute Chefredakteur des „Bayernkurier“
  • Prof. Stephan Weichert, Macromedia-Universität Hamburg, Autor von ‘Die Meinungsmacher‘ (Hoffman + Campe)
  • Georg Altrogge, Chefredakteur des Mediennewsletters MEEDIA und professioneller Medienbeobachter

Da ich erst kürzlich über Corporate Culture der ARD berichtet hatte, wollte ich das Thema unbedingt vertiefen. Das Gespräch mit Jay Tuck über politische Einflussnahme innerhalb der ARD ist ein Unternehmenskultur-Thema: Ein Journalist der kommerziellen Sender hätte doch anderes zu berichten?

Schwergewichtige Vertreter der Zunft waren geladen und ließen sich vom sympatischen Jürgen Pfeiffer souverän durch das Thema führen.

Alle Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass die Medienlandschaft durch die digitalen Medien unter Beschleunigungsdruck geraten ist.

Man meint, dass das den journalistischen Herausforderungen nicht positiv entgegenkommt, denn guter Hintergrundsjournalismus braucht Zeit.

Dr Kai Gniffke brachte ein Beispiel:
Die Schavan-Affäre sei schnell um die Person der Schavan aufgelodert; aber die eigentliche Frage: „Was ändert sich, wenn sie den Posten der Bildungsministerin aufgibt?“, ging unter. Das Thema wurde so schnell wieder durch Papstrücktritt und Fleischskandal verdrängt, dass für ausführliche Hintergrundinformationen über den Job der (Bundes-)Bildungsministerin in der föderalen Republik kein Platz mehr war.

Die "linke" Seite der Runde, fotografiert von Martina van Kann..

Heiner Bremer präzisierte das Problem: Die Aufgabe der Presse sei es, relevante Themen hochzubringen und sauber durchzudiskutieren. Statt dessen ginge es aber unter dem Beschleunigungsdruck viel zu oft um kurzlebige Skandale. Die Presse könne so ihrer Aufgabe nicht mehr gerecht werden.

Letztendlich geht es also um wirtschaftlichen Druck. – Eine Tatsache, die im Businessclub gut und gerne diskutiert werden sollte.

Aber das Thema setzte sich nicht durch.

Man war sich statt dessen einig, dass eine Vermischung von Journalismus und Politik nicht im System existiert: Die Rundfunkräte wären demokratisch legitimiert und seien sich ihrer Verantwortung durchaus bewusst sein. Politiker, die sich der Medien bedienen wollen, wie zum Beispiel Christian Wulff, liefen Gefahr, durch sie gestürzt zu werden.

Die "rechte" Seite der Runde, fotografiert von Martina van Kann...

Die Redaktionen agierten nicht nach dem politischen Links/Rechtsschema, erfuhr ich. Es gehe viel mehr um Sachfragen, an denen sich die Geister scheiden und die journalistisch bearbeitet würden. Stellung zu beziehen sei dabei erwünscht. Der ausgesprochen eloquente und politisch doch sehr klar verortete Peter Hausmann attackierte die Tagesthemen-Kommentare als „Eiertanz“, also nicht eindeutig genug positioniert, und unterstellte Nicht-Bayernkurier-Journalisten „Phrasendrescherei“: Da stelle sich ein Hauptstadt-Korrespondent vor eine verschlossene Tür und berichte zur Primetime, dass hinter eben dieser Tür gerungen werde, echauffierte Hausmann sich.

Dr. Gniffke konterte, die Tatsache, dass um etwas gerungen werde, sei durchaus eine Primetime-taugliche Nachricht, denn es würde einen Unterschied machen, ob um etwas gerungen werde, oder nicht.

Ich liebe diesen Unterschied!

Was ändert sich nun aber tatsächlich durch die digitalen Medien?

Mehr Kanäle sind zu bedienen. Außerdem verschärft sich der Marktdruck, mehr Nachrichten müssen rund um die Uhr produziert werden.

Müssen sie das wirklich?

Es gibt die linearen Medien, zu denen die anderen Kanäle noch dazu kommen. Es werden mehr Nachrichten konsumiert. – Eine steigende Nachfrage sollte eigentlich nicht nur negative Auswirkung auf das Produkt haben, finde ich.

Herr Altrogge wies in diesem Zusammenhang auf eine große Vielzahl engagierter Klein-Produzenten hin, die durchaus diese Nachfrage bedienen, aber von den „offiziellen Medien“ ignoriert werden.

In den Pull-Medien liegt die Chance, guten Hintergrundjournalismus über längere Zeit zugänglich zu machen. Die Sendezeiten werden zunehmend irrelevant.

Ich liebe den Unterschied zwischen "errungenem Kompromiss" und "Kompromiss"

Allerdings müssen andere Strategien entwickelt werden, Themen in das Bewusstsein der Konsumenten zu bringen; Themen, die von großer gesellschaftlicher Relevanz sind, aber keinen Skandal-Glamour bieten. Hans Hausmann bemerkte, dass diese Themen ansonsten einfach in der Zeitung mitgeliefert wurden, heute aber oft aber untergehen, wenn man es mit reinen Pull-Konsumenten zu tun hat: Die suchten nur, was sie interessiere.

Für mich war der Abend im Business Club Hamburg ein echter Kultur-Genuss. Die Medien-Macher reflektieren sich selbst, auf die Art, wie sie es immer tun. Der eine attackiert, der andere analysiert und der dritte mahnt. Die anderen wurden gar nicht so recht ernst genommen, denn sie waren keine Vertreter des „wahren, politischen Journalismus“. An dieser Stelle mache ich also ein Berufsethos aus, der Corporate-übergreifend eine Subkultur ausmacht. Ein Phänomen, dass man bei fast allen hoch spezialisierten Berufsgruppen beobachten kann. Trotzdem ist deutlich: Ein ARDler verkörpert andere Werte als einer vom Bayernkurier.

Leider gingen die spannenden Aspekte der Frage nach wirtschaftlicher Beeinflussung der „Meinungsmache“ unter. Prof. Stephan Weichert freut sich deshalb schon auf einen neuen Abend, bei dem er diese „Sau durchs Dorf treiben darf“.

Ich mich auch.

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Vielen Dank an Martina van Kann für die Fotos!

 

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